Pilotprojekt für den Freizeitkonsum: Schweiz reformiert Cannabisgesetze
In der Schweiz geht es, was Cannabis betrifft, schon immer ein wenig liberaler zu als in Deutschland. Die Schweizer besitzen eins der ältesten medizinischen Cannabisprogramme, und auch die CBD-Industrie ist eine der am höchsten entwickelten überhaupt. Doch nutzt das offenbar am wenigsten denen, die auf Cannabis angewiesen sind – den Patienten. In den letzten Jahren sind die Patientenzahlen deutlich zurückgegangen, und zwar aus denselben Gründen, die Patienten in Deutschland beklagen.
Sondergenehmigungen fallen weg
Der Zugang war schwierig, die Kosten hoch; so kann man die Problematik, die Schweizer Cannabispatienten bisher hatten, zusammenfassen. Zugang zu medizinischem Cannabis war zwar schon seit langem möglich, jedoch nur, wie in Deutschland vor der medizinischen Legalisierung 2017, über eine Sondergenehmigung. Doch auch wenn man es geschafft hatte die diversen bürokratischen Hürden zu überwinden, und eine solche zu erhalten, wurde das Medikament meist nicht von der Krankenkasse übernommen. Außerdem wurde auch für wissenschaftliches Arbeiten mit Cannabis, wie zum Beispiel zur Entwicklung medizinischer Produkte, jedes Mal eine Genehmigung des Federal Office of Public Health. Auch Anbau, Import und jegliche Verarbeitung waren lizenzpflichtig, was die Cannabisindustrie und –forschung in den letzten Jahren stark behindert hat. Als Teil der Revision der schweizerischen Legalisierung von Betäubungsmitteln wurde der Zugang für Patienten signifikant erleichtert.
Nachdem bereits im März letzten Jahres eine entsprechende Gesetzesänderung beschlossen wurde, trat diese nun am 1. August in Kraft. Cannabis wurde von einem verbotenen Betäubungsmittel zu einer kontrollierten Substanz reklassifiziert. Das bedeutet unter anderem, dass der Umgang damit nun ohne Sondergenehmigung möglich ist. Zuvor befand Cannabis sich, seit des Federal Act of Narcotics and psychotropic Substances von 1951, in einer Gruppe mit LSD und Opium. Außerdem wird Cannabis nun, wird es von einem Arzt verschrieben, von der Krankenkasse übernommen. Dazu soll es künftig, um die Verschreibung weiterzuentwickeln, eine Datenerhebung geben.
Nun ist aber nicht nur der medizinische Zugang erleichtert, auch der Anbau für diesen, sowie Forschung und Verarbeitung sind nun ohne größere Hürden möglich. Vor allem aber wird der Export für medizinisches Cannabis boomen. Schließlich haben die Schweizer durch ihre florierende CBD-Industrie sowohl großes Knowhow als auch die nötige Infrastruktur und eine an der Expansion äußerst interessierte Industrie. Diese wird, gemeinsam mit der CBD-Industrie zukünftig mit Sicherheit ein großer Player am Weltmarkt sein.
Pilotprojekte für Kiffer
Es wäre sogar möglich, dass in der Schweiz alle Dämme brechen, und Cannabis komplett legalisiert wird. Wie die Berliner Morgenpost Ende letzten Jahres berichtete, starteten mehrere Schweizer Großstädte Modellprojekte zur Abgabe von Cannabis an Erwachsene. Regine Steinauer, Suchtbeauftragte meint: „Wir haben keine Kontrolle über die Qualität der Cannabis-Produkte, wir haben keinen Kontakt zu den Konsumenten. Der Schwarzmarkt boomt. Die Situation ist in der Tat sehr unbefriedigend. Und eine Reaktion darauf muss erfolgen.“
Zürich startet das Projekt “Züri Can – Cannabis mit Verantwortung”, für welches man sich ab Herbst als Teilnehmer registrieren lassen kann. In Basel startet man am 15. September mit der Abgabe von Cannabis in Apotheken, der auf drei Jahre angelegt ist. Angebaut wird das Cannabis im Aargau. Das Bundesamt für Gesundheit teilte mit, dass alle Versuche wissenschaftlich begleitet würden. „Die Versuche sollen eine wissenschaftliche Grundlage für die künftige gesetzliche Regelung liefern“, so das Bundesamt. Das Sekretariat für Soziales und Gesundheit äußerte sich dazu im Oktober letzten Jahres wie folgt: “Cannabis soll nicht mehr verboten sein, sondern Anbau, Produktion, Handel und Konsum sollen umfassend neu geregelt werden“. Der Nationalrat soll nun ein Gesetz zur Entkriminalisierung von Cannabis ausarbeiten.