Nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) die Verurteilung zweier gewerblicher Händler von CBD-Blüten bestätigt hat, ist die Cannabis-Branche verunsicherter denn je. In einem offenen Brief wendet sich nun Philipp Ferrer, Geschäftsführer der HempGroup Int. und Vorstandsmitglied des Branchenverband Cannabiswirtschaft, in eigener Sache an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und den Bundesdrogenbeauftragten Burkhard Blienert. Um die geplante Legalisierung nicht zu gefährden und den Erhalt der gesamten Branche zu sichern, sollen die Politiker dringend tätig werden:
Brandbrief anlässlich des am 12.10.2022 veröffentlichten Urteils des Bundesgerichtshofs vom 23.06.2022 (Az. 5 StR 490/21) zu Nutzhanferzeugnissen
„Sehr geehrter Gesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach,
Sehr geehrter Drogenbeauftragter Burkhard Blienert,
ich schreibe Ihnen als Unternehmer einer Branche, die seit letzter Woche nahe am Abgrund steht.
Am 12.10.2022 wurde ein Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 23.06.2022 (Az. 5 StR 490/21) veröffentlicht, der tausende Unternehmer und Einzelhändler aus der Nutzhanfbranche in die Illegalität schiebt, und denen nun völlig überraschend mehrjährige Haftstrafen drohen.
Der Bundesgerichtshof hat ein nicht öffentliches Urteil des Landgerichts Berlin bestätigt, demzufolge ein Unternehmer zu fast vier Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurde, weil er Handel mit Nutzhanfblüten mit Wirkstoffgehalt unter 0,2% THC (sogenannten CBD-Blüten) betrieben haben soll.
Die Begründung ist in Fachkreisen höchst umstritten. Der „Missbrauch zu Rauschzwecken“ könne angeblich nicht ausgeschlossen werden, sodass unbehandelte Nutzhanfblüten nicht unter die Ausnahmevorschrift der Anlage I zu § 1 Abs. 1 BtMG fielen, sondern als Betäubungsmittel einzustufen seien.
Die Annahme, dass Konsumenten sich mit Nutzhanf berauschen könnten, ist vergleichbar mit der Gefahr, sich mit alkoholfreiem Bier zu betrinken (so ein anderer Senat des Landgerichts Berlin in einer Entscheidung vom 16.07.2021).
Neben dem Sachverständigenausschusses des BfArM, haben alle Fraktionen des Bundestags – mit Ausnahme der AfD – die Notwendigkeit Gesetzeslage anzupassen erkannt (vgl. Deutscher Bundestag Drucksache 19/31100).
Der Sachverständigenausschuss des BfArm hat sogar bereits einen fertig ausgearbeiteten Entwurf eingereicht.
Dieser Empfehlung ist dringend zu folgen. Sie wurde zunächst wegen der bevorstehenden Cannabislegalisierung zurückgesellt. Die gesetzlichen Neuerungen können aber nicht bis zum Inkrafttreten eines Gesetzes zur Genussmittelregulierung warten. Die junge nicht-medizinische Cannabisbranche, die von zahlreichen Startups geprägt ist, wird sich bis dahin nicht über Wasser halten können und weitere tausende Arbeitsplätze sind akut gefährdet. Lokale kleine und mittlere Unternehmen werden unter Haftandrohung ihrer Existenz beraubt.
Hanftee, der jahrzehntelang in jedem Teefachhandel, in Drogerien und Reformhäusern zur Beruhigung verkauft wurde, gilt heute als Betäubungsmittel, dessen Verkauf ins Gefängnis führen kann. Hanfbauern, die unter behördlicher Aufsicht legal Nutzhanf anbauen, werden – wie kürzlich in Dithmarschen geschehen – von der Polizei zur Ernte gezwungen, daraufhin komplette Ernteerträge beschlagnahmt. All dies hängt an dem oben erwähnten Zusatz des BTMGs. Zeitgleich schwadroniert die Bundesregierung von der Legalisierung. Dieser Wahnsinn muss endlich gestoppt werden!
Ich war immer ein großer Befürworter dieses Rechtsstaates und sehe mit großer Traurigkeit zu, wie rechtschaffende Unternehmer mit der vollen Gewalt der Exekutive drangsaliert und zur Aufgabe ihrer Existenzgrundlage gezwungen werden. Völlig ohne Sinn und Verstand werden hier Gespenster gejagt.
Mich erreichen Tag für Tag die verzweifelten Nachrichten unserer Partner und Marktbegleiter: Nachrichten über Geschäftsaufgaben, Polizeirazzien, Schlaflosigkeit und Angstzustände. Nachrichten von Unternehmern, die sich tagtäglich mit der Rechtslage beschäftigen, um ihre Produkte gesetzeskonform auf den Markt zu bringen, also von genau den Unternehmern, die Ihre geplante Cannabislegalisierung umzusetzen gedenken.
Bitte werden Sie tätig und helfen Sie uns!
Mit den besten Grüßen
Philipp Ferrer“
Der Beschluss des BGH war bereits am 23. Juni ergangen, wurde jedoch erst am vergangenen Mittwoch veröffentlicht. Der Branchenverband reagierte bereits letzte Woche mit einer Pressemitteilung. Man rechnet mit hunderten – möglicherweise tausenden – weiteren Verurteilungen und einem Verkehrsverbot etlicher Hanfprodukte.
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