Kanadas Weg in die Cannabis-Legalisierung – und was Deutschland davon lernen könnte
Es tut sich etwas. Über 80 Jahre, nachdem Harry J. Anslingers Propagandamaschine ins Rollen gebracht wurde, wird doch tatsächlich mittlerweile auf der ganzen Welt offen über die Vorteile einer Cannabis-Legalisierung gesprochen. Immerhin neun US-Bundesstaaten haben den Konsum legalisiert, in Uruguay können Freizeitkiffer sogar staatlich angebautes Cannabis in der Apotheke kaufen. Nun zieht Kanada nach. Das Land mit den angeblich respektvollsten Einwohnern der Erde hat den Cannabis-Konsum legalisiert. Damit setzt der jetzige Premierminister Justin Trudeau sein Wahlversprechen aus dem Jahr 2015 in die Tat um. Zwar später als geplant, aber immerhin. Der Senat stimmte am 20. Juni 2018 mit 52 Abgeordneten für die Legalisierung, 29 sprachen sich dagegen aus.
Legalisierung von Cannabis in Kanada: Selbst der Anbau ist erlaubt
Ab heute, den 17. Oktober 2018 dürfen Kanadier über 18 Jahren bis zu 30 Gramm Cannabis besitzen und konsumieren. Außerdem ist der Anbau von bis zu vier Cannabis-Pflanzen pro Person straffrei, solange die Samen von einem staatlichen Lieferanten kommen. Harte Strafen erwarten hingegen diejenigen, die Cannabis an Minderjährige abgeben. Kanada ist damit das erste Industrieland, welches Cannabis legalisiert. Wie konnte dieser Prozess so einfach ablaufen?
1. Cannabis ist in Kanada eine echte Goldgrube
In Kanada ist die medizinische Nutzung von Cannabis schon seit 2001 möglich. Das hat dazu geführt, dass dort auch angebaut wird – und zwar im ganz großen Stil. Kanada ist die Cannabis-Großmacht schlechthin und der nach Marktwert größte Cannabis-Produzent der Welt. Neben den Niederlanden ist es das einzige Land, welches Cannabis exportiert. Es wird erwartet, dass die Legalisierung auch zu einem nie dagewesenen Höhenflug im inländischen Cannabis-Business führt. Schätzungen zufolge könnten 4,6 Millionen Kanadier 655.000 Kilogramm Cannabis rauchen und dafür 6,2 Milliarden kanadische Dollar ausgeben – pro Jahr. Ein wesentliches Argument für die Cannabis-Legalisierung in Kanada waren also ökonomische Gründe.
2. Der Rückhalt in der Bevölkerung ist sehr groß
7 von 10 Kanadiern sprachen sich in einer 2016 erschienenen Umfrage für die Legalisierung aus. Nur 26 Prozent waren dagegen. Auch die Zahl der Cannabis-Konsumenten scheint in Kanada recht hoch zu sein; ungefähr die Hälfte der Bevölkerung hat Cannabis mindestens einmal im Leben probiert, das sind ca. 18 Millionen Personen Zum Vergleich: In Deutschland sind es etwa 20% (14,4 Millionen). Kurz gesagt: Je mehr Menschen eigene Erfahrungen mit Cannabis sammeln, desto wahrscheinlicher ist eine Legalisierung. Deutschland hat da wohl noch etwas Nachholbedarf.
3. Die Legalisierung führt zu mehr Jugendschutz
Premierminister Trudeau betonte 2016, die Legalisierung sei vor allem wichtig, um Kindern und Jugendlichen den Zugang zu Cannabis zu erschweren: “The intent is to better protect our kids from the easy access they have right now to marijuana and to remove the criminal elements that were profiting from marijuana.” Tatsächlich sind kanadische Jugendliche sehr Cannabis-affin: Ungefähr die Hälfte kifft regelmäßig. Das ist Gift für die kognitive Entwicklung. Ohne Schwarzmarkt kann beim Cannabis-Verkauf mehr Jugendschutz gewährleistet werden – Dealer fragen schließlich nicht nach dem Ausweis.
It’s been too easy for our kids to get marijuana – and for criminals to reap the profits. Today, we change that. Our plan to legalize & regulate marijuana just passed the Senate. #PromiseKept
— Justin Trudeau (@JustinTrudeau) 20. Juni 2018
Fazit: Was läuft in Kanada anders als in Deutschland?
Besonders die ökonomischen Rahmenbedingungen und der große Rückhalt innerhalb der kanadischen Bevölkerung dürften ausschlaggebend dafür sein, dass die Legalisierung so problemlos geplant werden konnte. So lange zwei Drittel der Deutschen sich gegen Cannabis aussprechen, werden wir also noch lange auf unsere Legalisierung warten müssen. Deshalb ist jeder einzelne dazu aufgerufen, sein Umfeld aufzuklären und sich auch der Diskussion mit Cannabisgegnern zu stellen. Was gegen die Angst vor der Reefer Madness zu helfen scheint: Ausprobieren – und erkennen, dass das Kiffen noch niemanden umgebracht hat. Wortwörtlich.
Bild: „Global Marijuana March 2013 in Vancouver“ by Cannabis Culture (CC BY 2.0)