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Cannabis-Legalisierung: Gesetzgeber auf Irrwegen

Cannabis-Legalisierung: Gesetzgeber auf Irrwegen
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Die Cannabis-Legalisierung schreitet weltweit unaufhaltsam voran – nicht als Revolution, sondern als Korrektur jahrzehntelanger Irrtümer. Deutschland ist mitten in diesem Prozess, doch statt Vernunft und Wissenschaft scheinen erneut Angst, Bürokratie und politischer Opportunismus den Kurs zu bestimmen. Dabei geht es längst nicht mehr nur um eine Pflanze – sondern um die Frage, ob Politik in der Lage ist, rational zu handeln und Evidenz über Ideologie zu stellen.

Vom Tabu zur Erkenntnis

Die Geschichte des Verbots von Cannabis ist ein Lehrstück politischer Verirrung. Ursprünglich sollten Verbote die „Volksgesundheit“ schützen, haben aber vielfach das Gegenteil bewirkt: Kriminalisierung, massive Qualitätsrisiken und einen Schwarzmarkt, der jährlich Milliarden umsetzt – steuerfrei und unreguliert [1].

Wissenschaftliche Studien belegen seit Jahrzehnten, dass strafrechtliche Repression keinen signifikanten Einfluss auf Konsumraten hat [2]. Im Gegenteil: Länder wie Portugal und Kanada zeigen, dass Entkriminalisierung und Regulierung nicht zu einem Konsumboom führen, sondern gesundheitspolitische Vorteile bieten. Maßnahmen wie evidenzbasierte Aufklärung, soziale Einbindung und regulierte Abgabe fördern nachweislich risikoärmeren Konsum [3].

Gleichzeitig wurde die Cannabispflanze über Jahrzehnte dämonisiert – und dabei ignoriert, dass sie pharmakologisch zu den vielseitigsten natürlichen Substanzen gehört. Sie enthält über 120 Cannabinoide – darunter THC, CBD, CBG und THCV – sowie eine Vielzahl an Terpenen. Diese Verbindungen entfalten potenziell neuroprotektive, schmerzlindernde, antiepileptische und entzündungshemmende Wirkungen [4]. Ein solch komplexes pflanzliches Molekülensemble in ein ideologisch motiviertes Strafrechtskorsett zu zwängen, ist wissenschaftlich schlicht unhaltbar. Die historischen Grundlagen des Cannabisverbots – etwa in den USA unter Harry Anslinger – basieren weniger auf medizinischer Evidenz als auf Rassismus, Moralvorstellungen und wirtschaftlichen Interessen [5].

Deutschland und die Scheinlegalisierung

Mit dem Cannabisgesetz (CanG) hat Deutschland 2024 einen historischen Schritt getan – und ihn gleichzeitig wieder relativiert. Besitz und Eigenanbau sind erlaubt, doch der legale Markt bleibt ein Flickenteppich: überregulierte Clubs, Importabhängigkeit, ein drohender Rückfall in alte Muster [6].

Der jüngste Referentenentwurf zur Änderung des Medizinal-Cannabisgesetzes (Juli 2025) verdeutlicht die Richtung: Verbote der Fernverschreibung, Einschränkungen des Versandhandels, Argumente mit „fehlender Arzneimittelzulassung“.

Das klingt nach Patientenschutz, ist aber in Wahrheit ein Rückschritt in die paternalistische Denkweise der 1990er [7]. Wissenschaftlich betrachtet ist dieses Argument kaum haltbar: Cannabisblüten sind seit 2017 bewusst ohne Zulassung verordnungsfähig – weil es sich um ein pflanzliches Vielstoffgemisch handelt, das in ein klassisches Zulassungsverfahren gar nicht passt. Die Zulassungslücke ist also kein Risiko, sondern eine gesetzlich gewollte Ausnahme, um Patient:innen den Zugang zu ermöglichen [8].

Was eine ordentliche Legalisierung leisten müsste

Wenn es wirklich um Gesundheit, Vernunft und Aufklärung ginge, sähe die deutsche Cannabispolitik völlig anders aus.

1. Zugang statt Abschottung

Telemedizinische Angebote, spezialisierte Ärzt:innen und Cannabis Social Clubs sollten unterstützt – nicht blockiert – werden. Studien zeigen, dass eine niedrigschwellige ärztliche Beratung und sichere Abgabestrukturen die Risiken problematischen Konsums deutlich reduzieren [9]. Die ärztliche Aufklärung über Wirkstoffe, Dosierung und mögliche Nebenwirkungen gilt als der effektivste Verbraucherschutz – bestätigt durch die Erfahrungen aus Kanada, wo Patient:innen seit 2018 regulierten Zugang haben [10].

2. Evidenzbasierte Regulierung

THC-Gehalte, Produktqualität und Reinheit müssen kontrolliert werden – aber auf Basis wissenschaftlicher Standards, nicht aus Misstrauen. In Ländern mit staatlich regulierten Märkten wie Kanada oder der Schweiz zeigen Evaluationsberichte, dass geprüfte Produkte und klare Etikettierung zu einem Rückgang des Schwarzmarktes um rund 40 % in den ersten Jahren nach Legalisierung geführt haben [11]. Fünf Jahre nach Einführung hat der legale Markt dort bereits über 70 % des Gesamtumsatzes übernommen – der Schwarzmarkt ist damit weitgehend an den Rand gedrängt [17]. Zugleich sank der Anteil von Cannabis mit gefährlich hohen THC-Gehalten, weil Qualitätskontrollen erstmals verlässlich greifen konnten [12].

3. Forschung statt Repression

Anstatt Gelder in Strafverfolgung zu investieren, braucht es staatlich geförderte Forschung zur medizinischen und gesellschaftlichen Wirkung von Cannabis. Meta-Analysen betonen die Notwendigkeit unabhängiger Studien zu Langzeitfolgen, kognitiven Effekten und Fahrverhalten [13]. Deutschland verfügt mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) über die Infrastruktur, um hier eine führende Rolle in der evidenzbasierten Drogenpolitik einzunehmen [14].

4. Realitätsnahe Prävention

Aufklärung bedeutet, Risiken offen zu benennen – nicht, Angst zu schüren.
Jugendliche lassen sich durch glaubwürdige, dialogorientierte Ansprache besser erreichen als durch Strafandrohungen. Die WHO und die Europäische Drogenbeobachtungsstelle (EMCDDA) empfehlen Präventionsstrategien, die auf Bildung und Frühintervention statt Repression setzen [15].

5. Ökonomie mit Verantwortung

Der deutsche Schwarzmarkt bewegt jährlich geschätzt über 800 Tonnen Cannabis, während der legale medizinische Markt bislang nur einen Bruchteil davon ausmacht [16]. Eine vollständige Legalisierung würde Milliarden an Steuereinnahmen freisetzen – Mittel, die in Prävention, Forschung und Bildung fließen könnten, anstatt kriminelle Strukturen zu finanzieren [17].

Cannabis Legalisierung: Vernunft oder Rückschritt

2025 steht die deutsche Cannabispolitik an einem Scheideweg – zwischen Aufklärung und Rückfall. Die jüngsten Reformen sind halbherzig, überbürokratisiert und politisch ängstlich – das Gegenteil einer wissenschaftlich fundierten Drogenpolitik. Während Länder wie Kanada, die Schweiz oder mehrere US-Bundesstaaten auf Transparenz, Patient:innenautonomie und ökonomische Vernunft setzen, erschwert Deutschland den Zugang und schafft neue regulatorische Hürden [18].

Dabei zeigt die internationale Evidenz eindeutig: Eine kontrollierte Legalisierung führt weder zu einem signifikanten Anstieg problematischen Konsums noch zu einer Zunahme jugendlicher Nutzer:innen [19]. Stattdessen sinken Kriminalitätsraten, die öffentliche Wahrnehmung entstigmatisiert den Konsum, und der Schwarzmarkt verliert an Bedeutung [20]. Die gesellschaftliche Realität ist längst weiter als die Politik. Über die Hälfte der Deutschen spricht sich laut aktuellen Umfragen für eine umfassende Legalisierung aus [21], und die Forschungslage zu medizinischem Nutzen, Suchtprävention und Marktregulierung ist eindeutiger denn je [22].

Verbote sind kein Ausdruck von Fürsorge – sie sind das Eingeständnis politischer Hilflosigkeit in einer aufgeklärten Gesellschaft. Cannabis ist Heilmittel, Genussmittel und Forschungsobjekt zugleich. Ob daraus Schaden oder Nutzen entsteht, hängt nicht von der Pflanze ab, sondern von der Haltung der Gesellschaft.

Die Zukunft der Drogenpolitik entscheidet sich daran, ob Deutschland den Mut zur Vernunft findet – oder erneut an seiner eigenen Angst scheitert.

Quellen

[1] Müller-Vahl, K. (2023). Cannabis und Cannabinoide – Eine interdisziplinäre Bestandsaufnahme. Berlin: Medhochzwei Verlag, S. 53.

[2] Hughes, C. E., & Stevens, A. (2010). What can we learn from the Portuguese decriminalization of illicit drugs? British Journal of Criminology, 50(6), 999–1022.

[3] Fischer, B., Russell, C., Sabioni, P., van den Brink, W., Le Foll, B., Hall, W., … & Room, R. (2017). Lower-risk cannabis use guidelines: A comprehensive update of evidence and recommendations. American Journal of Public Health, 107(8), e1–e12.

[4] Iffland, K., & Grotenhermen, F. (2017). An update on safety and side effects of cannabidiol. Cannabis and Cannabinoid Research, 2(1), 139–154.

[5] Hari, J. (2015). Chasing the Scream: The First and Last Days of the War on Drugs. London: Bloomsbury.

[6] Müller-Vahl, K., & Oğlakcıoğlu, M. T. (2024). Cannabis und Cannabinoide. Berlin: Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, S. 294.

[7] Bundesministerium für Gesundheit (BMG). (2025). Referentenentwurf zur Änderung des Medizinal-Cannabisgesetzes.Berlin, S. 2–3.

[8] Müller-Vahl, K., & Oğlakcıoğlu, M. T. (2024). Cannabis und Cannabinoide. Berlin: Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, S. 216.

[9] Fischer, B., Rehm, J., & Hall, W. (2021). Cannabis use, harms and the public health approach: Towards a balanced evidence-based policy. International Journal of Drug Policy, 95, 103108.

[10] Health Canada. (2023). Canadian Cannabis Survey 2023: Summary Report. Ottawa: Government of Canada.

[11] Government of Canada. (2022). Legalization of Cannabis: 4-Year Review Report under the Cannabis Act. Ottawa: Department of Justice.

[12] Federal Office of Public Health (FOPH) Switzerland. (2024). Pilot Trials on Regulated Cannabis Supply – Interim Evaluation Report. Bern.

[13] Volkow, N. D., Han, B., Compton, W. M., & Blanco, C. (2022). Cannabis use and health in the US: Implications for legalization. JAMA Psychiatry, 79(9), 878–888.

[14] Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). (2023). Evaluationsbericht zum Medizinalcannabis-Programm in Deutschland. Bonn.

[15] World Health Organization (WHO). (2022). Public Health Impacts of Cannabis Legalization and Regulation.Geneva: WHO Press.

[16] United Nations Office on Drugs and Crime (UNODC). (2023). World Drug Report 2023: Cannabis Market Analysis.Vienna: United Nations.

[17] Statistics Canada. (2023). Cannabis Economic Accounts, 2022 Update. Ottawa: Government of Canada.

[18] European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction (EMCDDA). (2024). Cannabis Policy Developments in Europe: Annual Report 2024. Luxembourg: Publications Office of the European Union.

[19] Hall, W., Stjepanović, D., Caulkins, J., Lynskey, M., Leung, J., Campbell, G., & Degenhardt, L. (2019). Public health implications of legalising the production and sale of cannabis for recreational use. The Lancet, 394(10208), 1580–1590.

[20] Smart, R., & Pacula, R. L. (2023). Early evidence of the impact of cannabis legalization on youth and adult use. The Lancet Psychiatry, 10(1), 12–23. https://doi.org/10.1016/S2215-0366(23)00012-2

[21] YouGov Deutschland. (2024). Umfrage zur Legalisierung von Cannabis in Deutschland – Akzeptanz und gesellschaftliche Wahrnehmung. Hamburg.

[22] National Academies of Sciences, Engineering, and Medicine (NASEM). (2017). The Health Effects of Cannabis and Cannabinoids: The Current State of Evidence and Recommendations for Research. Washington, DC: The National Academies Press.

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